Welche Themen bestimmen Bundestagsdebatten zur Landwirtschaft?
Forschung |

Die Europäische Union (EU) reformierte 2023 die Gemeinsame Agrarpolitik. Im Rahmen der Reform definierte die Europäische Kommission zehn wissenschaftlich basierte Kernherausforderungen der Landwirtschaft. Empirische Untersuchungen der Technischen Universität München (TUM) haben sich mit der Frage befasst, wie diese Herausforderungen in der politischen Diskussion über Landwirtschaft in Deutschland repräsentiert sind. 707 Reden aus Debatten des Deutschen Bundestages zwischen 2017 und 2022, den Jahren vor der EU-Reform, wurden untersucht. Dafür wurde eine Methode des maschinellen Lernens, das sogenannte Structural Topic Modeling, angewandt. In großen Textmengen erkennt diese Methode über Wahrscheinlichkeitsverteilungen Muster, die auf die behandelten Themen schließen lassen.
Neun von zehn Schwerpunkten finden sich in Debatten wieder
Die Untersuchungen ergaben 24 Themen, die die Debatten bestimmten. Darin wurden neun der zehn von der Europäischen Kommission festgestellten Herausforderungen adressiert. Das dominierende Thema war die ländliche Entwicklung. An zweiter Stelle stand das Spannungsfeld zwischen ökonomischem Druck und gesellschaftlichen Erwartungen, dem sich v.a. Familienbetriebe ausgesetzt sehen.
Die einzige nicht thematisierte Herausforderung der Europäischen Kommission ist der Generationswechsel in der Landwirtschaft. „Das kann wohl darauf zurückgeführt werden, dass die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland im Durchschnitt deutlich jünger sind als ihre Kolleginnen und Kollegen in der EU. Der Generationswechsel scheint hierzulande generell zu funktionieren“, erklärt Philipp Mennig, Forscher am Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe, der die Analysen durchführte.
Wirtschaftliche Themen traten in den Vordergrund
Es zeigt sich auch ein klarer zeitlicher Trend bezüglich der Verhandlungen über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik: Je näher die Reform rückte, desto häufiger wurde über ökonomische Themen debattiert. Dafür wurden die ländliche Entwicklung, aber auch Themen von eher nationaler Bedeutung, wie etwa die Grundwasserbelastung mit Nitrat, seltener thematisiert.
Philipp Mennig resümiert: „Die Ergebnisse sind grundsätzlich positiv zu bewerten: die Debatten im Deutschen Bundestag befassen sich durchaus mit Kernherausforderungen, die auch die internationale Forschungsgemeinschaft identifiziert. Inwieweit die Debatten zur Entwicklung wissenschaftsbasierter agrarpolitischen Maßnahmen beitragen, steht natürlich auf einem anderen Blatt.“
Publikation
Mennig P.: Who cares about agriculture? Analyzing German parliamentary debates on agriculture and food with structural topic modelling. Food Policy. Volume 130, 102788 (2025). doi.org/10.1016/j.foodpol.2024.102788.
Weitere Informationen
Die Analysen wurden am Lehrstuhl für Produktions- und Ressourcenökonomie landwirtschaftlicher Betriebe durchgeführt, welcher dem Hans Eisenmann-Forum für Agrarwissenschaften und der TUM School of Life Sciences zugeordnet ist.