Wie die Landnutzung Extremwetter verstärkt – und was wir dagegen tun können
Agroforst & Biodiversität, Klimawandel | erstellt von Linda Schinnenburg
Herr Prof. Auerswald, Ihre Kollegen und Sie sagen: nicht nur CO2, sondern vielmehr auch die Landnutzung verschärft Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen. Was genau ist Ihre These?
Bei fast jedem Extremwetterereignis heißt es: Das ist der Klimawandel, das ist CO₂. Doch diese Erklärung greift zu kurz. Der CO₂-Anstieg führt zu höheren Temperaturen und intensiveren Regenfällen und dadurch steigt global die Verdunstung – das ist unbestritten. Aber: Die globale Verdunstung hat sich nur um etwa fünf Prozent erhöht. Die Zunahme von Dürren und Fluten fällt aber deutlich stärker aus. Also müssen wir fragen: Was sind weitere Ursachen? Unsere Antwort: die Landnutzung.
Wie genau beeinflusst die Landnutzung Überschwemmungen und Dürren?
In den letzten Jahrzehnten haben wir Menschen unsere Umwelt stark verändert. Es gibt vier Dinge, die hier besonders zentral für Fluten und Dürren sind: Versiegelung, Bodenverdichtung, Drainage und das Entfernen von Hecken.
Auf versiegelten Flächen und auf stark verdichteten Böden kann Wasser nicht einsickern, sondern fließt in hoher Geschwindigkeit weiter. Das Wasser sammelt sich dann in den von uns Menschen gebauten Entwässerungseinrichtungen, wie Kanälen und Drainagen. Die haben wir eingerichtet, um Wasser schnell von einem Ort weg zu transportieren, z.B. von eben jenen versiegelten Flächen, wie Straßen.
Das Problem ist nur: wenn das Wasser hier wegfließt, fließt es ja an einen anderen Ort hin – und das auf den von uns versiegelten Flächen auch noch immer schneller. Das Wasser fließt dann entlang der Drainagen in tiefere Lagen. Da Orte und Gemeinden häufig in Tälern liegen, kommt das Wasser hier an. Das Ergebnis ist dann, dass bei Starkregen Wassermassen aus ganzen Landschaften in einen Ort gespült werden und das bei sehr hohen Geschwindigkeiten – eine Überschwemmung. Die Menschen können kaum reagieren und es kann zu Katastrophen wie im Ahrtal im Jahr 2021 kommen.
Das erklärt nun die Überschwemmungen – wie ist es mit den Dürren?
Die Erklärung ist die gleiche, der Boden ist entscheidend. Normalerweise erfüllt der Boden eine gewisse Speicherfunktion: bei Niederschlägen nehmen Böden Wasser auf und Pflanzen können es so in den kommenden niederschlagsarmen Zeiten nutzen. Aber durch unsere Veränderungen der Böden ist er dysfunktional geworden.
Erstens kann versiegelter oder verdichteter Boden weniger Wasser aufnehmen. Dazu kommt, dass Drainagen das Wasser schnell abtransportieren. Drittens haben wir auf vielen Feldern heute keine Heckenstrukturen, die aber im Wassermanagement sehr wichtig sind: Hecken verringern die Windgeschwindigkeit und so die Verdunstung.
Durch diese Veränderungen kommt also weniger Wasser im Boden an und dieses verschwindet auch noch schneller. Wenn es dann länger nicht regnet, kommt es schneller und häufiger zu Dürren.
Die Böden haben durch Eingriffe für die menschliche Infrastruktur also einen Teil ihrer Funktion eingebüßt. Was können wir tun, um diese wieder zu unterstützen?
Was uns erst einmal klar werden muss, ist, wie viel Geld wir schon in die Schadensbekämpfung stecken. Auch die Forderung nach Bewässerungen von landwirtschaftlichen Feldern würde hinfällig, wenn wir unsere Böden weniger schädigen. Deshalb ist es richtig und an der Zeit, dass wir die Ursachen angehen und nicht nur symptomatisch vorgehen.
Im Prinzip liegen die Maßnahmen auf der Hand: entsiegeln, den Boden weniger verdichten und windbrechende Strukturen errichten. Gerade in der Landwirtschaft könnten wir viel bewegen: geringere Radlasten, mehr Bodenbedeckung – etwa durch Erntereste oder Zwischenfrüchte. Der Boden „will“ bedeckt sein – so verdunstet weniger Wasser und die Feuchtigkeit bleibt erhalten.
Das ist aber nicht immer in der Hand der Betriebe.
Sicherlich bräuchte es auch gesetzliche Vorschriften. Hier sehe ich vor allem Potenzial in der Begrenzung der zulässigen Radlast, denn selbst ein umsichtiger Landwirt kann nur die Maschinen kaufen, die auf dem Markt sind. Relativ schnell ließe sich aber eine bessere Bodenbedeckung umsetzen. Betriebe könnten hier totes oder lebendiges Pflanzenmaterial nutzen. Konkret heißt das: nach der Ernte die Überreste belassen oder Zwischenfrüchte säen – und vor allem stehen lassen! Der Hintergrund ist hier, dass bedeckte Böden selbst Starkregen aufnehmen, die Feuchtigkeit im Boden halten und so seine Funktion als Wasserspeicher unterstützen.
In der Publikation erwähnen Sie auch Agroforstsysteme und Agri-Photovoltaik bzw. Solarzäune. Am HEF haben wir Versuchsflächen zu beidem. Können Sie kurz den Effekt dieser Maßnahmen auf die Böden und Wasserhaushalt erklären?
Neben den ökologischen und ökonomischen Vorteilen der beiden dualen Landnutzungskonzepte ist für uns im Wassermanagement ganz zentral: Sie senken die bodennahe Windgeschwindigkeit. Das reduziert die Verdunstung und schützt den Boden.
Es gibt eine einfache Faustregel: Ein Windhindernis wie eine Hecke oder ein Solarzaun bremst den Wind über die fünfundzwanzigfache Distanz der Höhe; ein vier Meter hohes Hindernis wirkt auf rund hundert Metern. Weniger Wind bedeutet: weniger Wasserverlust, höhere Luftfeuchtigkeit, mehr Ertrag.
Wir sehen also: es gibt viel zu tun, aber auch viel, dass wir tun können. Dass CO2 einsparen allein uns nicht vor Extremwettern bewahrt, ist eigentlich eine gute Nachricht, denn wir haben so noch mehr Hebel an denen wir ansetzen können. Die sollten wir erkennen und dann nutzen.
Weitere Informationen
- Prof. Karl Auerswald war außerplanmäßiger Professor an der TUM School of Life Sciences am Lehrstuhl für Grünlandlehre.
- Link zum Artikel in ‚Hydrology and Earth System Sciences’: HESS - HESS Opinions: Floods and droughts – are land use, soil management, and landscape hydrology more significant drivers than increasing CO2?