„120.000 Jahre Pflanzenevolution in nur wenigen Tagen"
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Frau Dr. Ulschan Bathe, Sie befassen sich mit der gerichteten Evolution in Pflanzen, was werden Sie verändern?
Mit meinem Team werden wir an Enzymen in Pflanzen forschen, die besonders kurzlebig sind. Diese Enzyme müssen aufgrund ihrer Kurzlebigkeit häufig ersetzt werden und verbrauchen somit viele Ressourcen in der Pflanze. Wir möchten durch gerichtete Evolution, also der gezielten Veränderung pflanzlicher Proteine hin zu bestimmten Eigenschaften, diese Enzyme langlebiger machen. Dadurch werden in der Pflanze weniger Ressourcen für die Erneuerung der Enzyme verwendet, die stattdessen für das Pflanzenwachstum genutzt werden können. So möchten wir den Ertrag von Nutzpflanzen steigern und zur Ernährungssicherung beitragen.
In Ihrem Forschungsthema wird das als „continuous directed evolution“ bezeichnet – das klingt fast wie Science-Fiction. Was heißt das genau?
Was wir machen, ist letztendlich nichts anderes als Evolution in einem sehr komprimierten Zeitfenster. In der Natur kommt es ständig zu Veränderungen in der DNA, also Genmutationen. Diese treten mit einer geringen Frequenz auf. Wenn aber diese Mutationen im Konkurrenzkampf um Ressourcen und ums Überleben einen Vorteil bieten, dann setzt sich dieser Organismus und damit das mutierte Genom durch, das kennt man als „Survival of the fittest“. Wir setzen „Survival of the fittest“ für unsere Zwecke im Labor, also eben jene kurzlebigen Enzyme, ein. Konkret heißt das, dass wir erhöhte Genmutationsraten in unseren Zielgenen hervorrufen und testen, wie sich die entstandenen Mutationen im Konkurrenzkampf durchsetzen.
Um den Prozess zu beschleunigen, führen wir diese Modifizierungen zunächst nicht in Pflanzen, sondern in sich schnell vermehrendem Modellorganismen durch, in unserem Fall Hefe. Durch diesen Prozess können wir im Labor 120.000 Jahre Pflanzenevolution in nur wenigen Tagen absolvieren.
Und dann werden die modifizierten Gene in Pflanzen übertragen?
Genau, wenn wir die Enzyme in den Hefen durch Mutationen weiterentwickelt haben, werden wir die editierten Gensequenzen wieder in Nutzpflanzen einführen. Dafür nutzen wir zunächst die Tomate, da man sie sehr gut genetisch manipulieren kann. Diese Pflanzen mit veränderter Gensequenz werden wir beobachten und prüfen, ob die eingeführten Mutationen tatsächlich den gewünschten Effekt bewirken. Durch geeignete Experimente können wir testen, ob die editierten Enzyme auch in Pflanzen langlebig sind und potentiell zu einem erhöhten Ertrag führen.
Warum sind Sie mit diesem Thema an die TUM und das Hans Eisenmann-Forum gekommen?
Während der Suche nach Standorten habe ich festgestellt, dass die Professur von Prof. Brigitte Poppenberger an der TUM am besten zu meiner Forschung passt. Sowohl inhaltliche Überschneidungen als auch die Infrastruktur vor Ort, wie die Ausstattung der Forschungslabore, stellen optimale Voraussetzungen für das Thema dar. Auch beim Aufbau der Forschungsgruppe im Rahmen der Förderung des Elitenetzwerks Bayern hilft mir der Standort. Wir haben Mitglieder von der TUM, aber auch aus China und Südamerika rekrutiert. Wer Exzellenz sucht, muss global denken und das ist hier möglich. Die TUM lockt Forschende an und so können wir mit unserem internationalen Team Forschung auf höchstem Niveau betreiben.
Für Ihre Forschung erhalten Sie außerdem die Nachwuchsgruppenförderung des Elitenetzwerks Bayern. Wie unterstützt Sie diese Förderung?
Die finanzielle Unterstützung durch das Elitenetzwerk Bayern und die Anbindung an das Doktorandenkolleg ermöglichen es, ein leistungsstarkes Team aufzubauen. Durch die Förderung können wir Stellen in der Gruppe schaffen, das erleichtert natürlich die Forschung. Dabei geht die Förderung auch über das Finanzielle hinaus. In einer akademischen Karriere spielen auch Soft Skills eine wichtige Rolle. Es kann schwierig sein, sich in den vielseitigen Anforderungen wie internationalen Forschungsaufenthalten, einem klaren wissenschaftlichen Profil und wissenschaftlichen Publikationen zurechtzufinden. Im Rahmen der Förderung bietet hier das Doktorandenkolleg eine gute Möglichkeit sich auszutauschen und Auslandsaufenthalte zu ermöglichen.
Zur Person:
Ulschan Bathe studierte und forschte in Halle-Wittenberg, unter anderem am Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie. Nach einem Forschungsaufenthalt an der University of Florida kommt sie mit der Förderung des Elitenetzwerks Bayern an die Professur der Biotechnologie gartenbaulicher Kulturen von Prof. Brigitte Poppenberger.
Weitere Informationen:
- Meldung des Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zur Förderung des ENB
- Das Projekt wird im Rahmen des Elitenetzwerks Bayern des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst mit einer Summe von 2,1 Millionen Euro gefördert und ist angebunden an das Internationale Doktorandenkolleg „The Proteomes that Feed the World“.